Ein interessantes Kapitel in der Urbacher Geschichte der Sportvereine.

Es spiegelt auch die gesellschaftliche Entwicklung gegen Ende des 19. Jahrhunderts und nach dem verlorenen 1. Weltkrieg in Deutschland wider.


Der TSV Oberurbach wurde 1899 gegründet. Auf Seite 65 des Bildbandes „Alt-Urbach im Bild“ vom Förderverein Urbacher Kranken- und Altenversorgung e.V. ist ein Bild von der Fahnenweihe am 13. Juni 1909 enthalten.

Auf diesem Bild ist links unten der Turnergruß der Deutschen Turnerschaft (FFFF =Frisch,Fromm,Fröhlich,Frei) zu erkennen. Das lässt darauf schließen, dass der TSV Oberurbach seinerzeit Mitglied bei der Deutschen Turnerschaft war.

In der Deutschen Turnerschaft (DT) waren die bürgerlichen Sportvereine zusammengeschlossen. Die vorwiegend von Handwerkern und Gewerbetreibenden bestimmte Volksbewegung des Turnens mit ihrer Leitfigur „Turnvater“ Jahn hatte ihre Wurzeln in der bürgerlichen Revolution von 1848.

Sie entwickelte im Kaiserreich nach1870 ein zunehmend nationalistisches Gedankengut und nahm spätestens seit dem Sozialistengesetz Sportler aus dem Arbeiterstand nur noch ungern auf. Seinerzeit hatte der Ausschuss der Deutschen Turnerschaft den Vereinen erlaubt, Sozialdemokraten auszuschließen. 

In Folge der Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890 organisierten sich die Sportler, die aus der Arbeitersportbewegung stammten, in eigenen Dachverbänden.

Am 2. Mai 1893 wurde in Gera der Arbeiter-Turnerbund (ATB) und am 24. Mai 1896 in Offenbach am Main den Radfahrerbund Solidarität (ARB Solidarität) gegründet. Die Arbeitersportler schufen sich ihre eigenen Vereine, wobei einzelne Formen –wie etwa der Turnergruß oder das Emblem- erst mit der Zeit entstanden. (Turnergruß:FFST =Frisch,Frei,StarkTreu).

Der Arbeitersport erfuhr während des gesamten Kaiserreichs strukturelle Repressionen, weil die staatlichen Organe die Vereine –nicht ganz grundlos – als Tarnorganisationen für politische Betätigung betrachteten Diese Repression endete nicht mit dem Sozialistengesetz, sondern setzte sich danach kaum abgeschwächt fort. Die Vereine durften keine öffentlichen Turnhallen und Sportanlagen benutzen, und spätestens mit dem Reichsvereinsgesetz von 1908 war ihnen verboten, Angebote für Jugendliche unter 18 Jahren zu machen. 


Die SPD und die Gewerkschaften reagierten zunächst skeptisch; sie befürchteten eine Schwächung der politischen Kampfkraft durch die Freizeitinteressen ihrer Mitglieder. Das änderte sich erst kurz vor dem 1. Weltkrieg.

Die Blütezeit der Arbeitersportvereine als vollwertiger Bestandteil der Arbeiterbewegung stellte erst die Weimarer Republik dar.

Der Arbeiterturnerbund (ATB), der 1893 in Gera gegründet worden war, benannte sich 1919 in Arbeiter-Turn- und Sportbund um (ATSB). Nach dem Ende des 1. Weltkrieges vertieften sich die die Gräben zwischen den verschiedenen Bevölkerungsschichten in Deutschland.

Zu den gesellschaftlichen Unterschieden kamen unüberwindliche politische und weltanschauliche Differenzen.

Während die bürgerlichen Turn- und Sportorganisationen sich für politisch neutral erklärte, aber in Wirklichkeit für bürgerliche und nationale Interessen – oder was sie dafür hielten- eintraten, bekannte sich die Arbeiterturn- und Sportbewegung zum Sozialismus, verstand sich als eine „Turnbewegung klassenbewusster Arbeiter „ als politische Turnbewegung. Die Arbeiterturn- und Sportvereine nutzten nun den im Vergleich zum Kaiserreich gewonnenen Spielraum, um eine spezifisch proletarisch-sozialistische Körperkultur auszubilden. 

Die neue Namensgebung (ATSB) verdeutlicht die zunehmende Versportlichung und Modernisierung des ATB und eine Öffnung gegenüber den Sportspielen und der Leichtathletik.

Dies kann einerseits als eine Reaktion auf den sich veränderten Zeitgeist der Jugend und andererseits auf die schwindenden Mitgliederzahlen vor 1914 verstanden werden, die auf eine konsequente Ablehnung von Wettkämpfen zurückgeführt werden kann.

Diese Ablehnung hatte zur Folge, dass wohl viele leistungsorientierten Sportler bürgerliche Vereine und die Deutsche Turnerschaft (DT) bevorzugten. Diese Einrichtungen konnten in den letzten Vorkriegsjahren hohe Zuwachsraten verzeichnen.

Nach Beendigung des Krieges und einer Neuorientierung musste der ATB dieser Entwicklung entgegenwirken. Durch die vollständige Anerkennung des Fußballs als vollwertige Sportart demonstrierte der ATSB zudem, dass er nicht gewillt war, dem Deutschen Fußballbund (DFB) die Monopolisierung dieser attraktiven Sportart zu überlassen. Die Zahl der Mitglieder in den Arbeiterturn- und Sportvereinen wuchs steil an. Nach dem Krieg wurden 1919 etwa 190.000 Mitglieder gezählt, und schon 1922 erreichte die Arbeiterturn- und Sportbewegung mit rund 1,1 Millionen Mitgliedern einen Höchststand, der mit leichtem Rückgang auch bis zum Ende der 1920er Jahre gehalten werden konnte. In diese Zeit fällt auch die Aufnahme der Mitgliedschaft des TSV Oberurbach in den ATSB.

Denn 1922 wurde die Fußballabteilung gegründet. Der ATSB trug in der Weimarer Zeit eigene regionale und nationale Meisterschaften aus, es gab ein Ligasystem auf Kreis- und Bezirksebene. Ab 1924 nahm eine deutsche ATSB-Auswahl (die Bezeichnungen Nationalmannschaft oder Reichsauswahl waren verpönt) und Arbeitersporter an den internationalen Arbeiterolympiaden teil. Schon in der Saison 1919/20 beteiligten sich 3.581 erste Mannschaften am ATSB-Spielbetrieb.

Mit dem Erstarken radikaler Parteien auf der Linken und Rechten in der Endphase der Weimarer Republik bemühte sich die KPD zunehmend um Einfluss auf die Arbeitersportvereine.

Dagegen leisteten die SPD-nahen Vorstände Widerstand. Bereits 1929 hatten reichsweit 32.000 Mitglieder die bestehenden Vereine verlassen und zum Teil eigene gegründet. So setzte sich die Spaltung der Arbeiterbewegung im Arbeitersport fort.

Dies bewahrte den ATSB jedoch nicht davor, noch vor der NS-Herrschaft sein Ende zu finden. Im Herbst 1930 erklärte die Reichsregierung unter Reichskanzler Brüning die Zentralkommission und alle in ihr organisierte Verbände zu politischen Organisationen.

Trotz Ausschluss der Kommunisten und dem öffentlichen politischen Bekenntnis zur Republik wurde dem ATSB die offizielle Legitimation als Sportverband tätig zu sein, entzogen. Die Arbeit vor Ort lief währenddessen (noch) weiter.

Bis die Nazionalsozialisten 1933 ein Verbot dieser Arbeitersportvereine durchsetzten und die Vermögenswerte beschlagnahmten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Bild von der Turnhalleneinweihung (Espachhalle) im Jahre 1926. Siehe Seite 67 des Bildbandes „Alt-Urbach im Bild“. Darauf sieht man auf der westlichen Giebelseite das Motto des Arbeitersports: „Frei Heil“. Das ist eine Abwandlung des Jahn’schen Mottos „Gut Heil“, welches von der Deutschen Turnerschaft verwendet wurde.

Nach 1945 gingen in der neugegründeten Bundesrepublik Deutschland mit den wieder gegründeten Turn- und Sportvereinen im Deutschen Sportbund die Ziele und Ideale der Arbeitsportbewegung auf.

Sport für alle, Turnen für Jedermann, Zweiter Weg des Sports, Breiten- und Freizeitsport, Reha- und Gesundheitssport usw sind heute selbstverständlich Bestandteile der modernen Sportbewegung; und das zu nach wie vor verhältnismäßig günstigen Preisen, vorbehaltlich des sozialen und ehrenamtlichen Engagements der Vereinsmitglieder.

Quellennachweise: 150 Jahre SPD Arbeiterturn- und Sportbewegung, WIKIPEDIA, SPD Geschichtswerkstatt Arbeitersport. Alt-Urbach im Bild, Förderverein Urbacher Kranken- und Altenversorgung e.V.